
Als „unfassbare politische Oberflächlichkeit“ bezeichnet der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Willi Strüwer die Aussagen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Marc Krippner zum Verkauf der RWE-Anteile an der ENERVIE. „Der Fraktionschef und ENERVIE-Angestellte spricht sich für den vollständigen Kauf der Unternehmensanteile durch die Stadt aus, noch bevor er sich auch nur hinlänglich mit den Chancen und Risiken für die Unternehmensholding HVG oder die Stadt vertraut gemacht hat. Wenn etwas „grob fahrlässig“ ist, dann ist es wohl das Verhalten des SPD-Fraktionschefs.“
Allen Ratsmitgliedern liegt auch eine Verwaltungsvorlage vor, die die Komplexität des Verfahrens erläutert und eine erste Einschätzung von Chancen und Risiken des möglichen Anteilskaufs in zweistelliger Millionenhöhe vermittelt. „Daraus wurde für die CDU-Fraktion deutlich“, wie Strüwer erläutert, „dass eine ideologisch geprägte Bauchentscheidung hier nicht weiterhilft. Das Derivate-Desaster mahnt uns, nie wieder so viel Geld zu investieren, ohne die genauen Risiken einer solchen Entscheidung zu kennen. Wenn am Ende die Bürgerinnen und Bürger die Folgen eines voreiligen Anteilskaufs durch drastische Sparmaßnahmen ausbaden müssen, ist niemandem geholfen – außer vielleicht Herrn Krippner.“
Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Stephan Ramrath sieht im Wechsel des privaten Anteilseigners durchaus auch ein erhebliches Potential für das Unternehmen: In der Beteiligungskommission haben wir Remondis als möglichen neue Anteilseigner mit hohem Maß an Kompetenz im privaten wie kommunalen Versorgungsbereich und großer Kooperationsbereitschaft wahrgenommen. Remondis will mit ENERVIE neue Märkte erschließen und gemeinsam mit den anderen Anteilseignern die derzeitigen Probleme lösen. Das sichert Arbeitsplätze und eröffnet die Aussicht, wieder eine Dividende für den städtischen Haushalt zu erhalten. Wir sollten uns fragen, wie wir das Fachwissen von Remondis sinnvoll in unser Unternehmen integrieren.“
Auf der anderen Seite sieht Ramrath auch die derzeitigen Risiken auf dem Stromerzeugungsmarkt: „Wir wissen nicht, wie sich die Zukunft des Unternehmens entwickelt. Vieles hängt vom tatsächlichen Wortlaut des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) und den Entscheidungen der Bundesnetzagentur ab. Diese Rahmenbedingungen tragen wesentlich zur Preisbildung beim Strom und zur Energieproduktion in den ENERVIE-Kraftwerken bei. Zusammen mit den Rücklagen der HVG sowie den Erfahrungen und dem Kapital von Remondis ließe sich die derzeitige Durststrecke sicherlich besser durchstehen als alleine.“ Für Willi Strüwer ist deshalb klar, „dass wir deutlich mehr Hintergrundinformationen benötigen, als sie in der Kürze der Zeit und von der Verwaltung und der HVG geliefert werden konnten.
Die CDU-Fraktion wird deshalb am Donnerstag im HFA beantragen, zunächst eine Expertise anzufordern, die die Chancen und Risiken einer weiteren Übernahme der derzeitigen privaten Anteile beleuchten soll. Erst mit diesen Fakten können wir eine verantwortungsvolle Entscheidung über das Vermögen der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt treffen.“ Strüwer könnte sich eventuell vorstellen, die städtischen Anteile der ENERVIE auf knapp über 50% zu erhöhen, wenn sich die Risiken begrenzen lassen. Daraus ließe sich – ohne Beeinträchtigung des privaten Anteilseigners – ein steuerlicher Querverbund unter dem Dach der HVG realisieren, der möglicherweise finanzielle Vorteile bringt. „Das alles sind derzeit Möglichkeiten, die wir jetzt vernünftig prüfen und bewerten müssen – bevor wir am 29. April im Rat eine abschließende Entscheidung treffen. Wenn Herr Krippner das zu seiner Entscheidung nicht braucht, handelt er verantwortungslos."
Autor: Alexander M. Böhm.
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