Rede zum Haushalt 2014/2015: „So viel Kooperation war nie …“

14.11.2013

Sehr geehrte Damen und Herren, in unschöner Regelmäßigkeit sitzen wir hier zusammen, um immer neue Sparpakete zu schnüren. In unschöner Regelmäßigkeit wiederholen sich dieselben Rituale auf dem Weg dorthin. Noch immer sanieren wir zu zögerlich. Als ich begann, mich auf diese Rede vorzubereiten, dachte ich ernsthaft darüber nach, ob ich nicht ein paar alte Redetexte neu zusammenfügen sollte. Die meisten meiner Aussagen aus den letzten Jahren haben noch immer nichts an Aktualität eingebüßt. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit wäre das ein effizienter Ressourceneinsatz geworden. Aber keine Angst: Ich werde Ihnen eine Wiederholung á la „Dinner for One“ ersparen.

Denn in den letzten Wochen hat sich im Rathaus einiges bewegt. Der Zeitdruck hat nämlich einen neuen Geist unter den Fraktionen im Rat hervorgebracht. Statt Verweigerung und Versteckspielen stand das gemeinsame Ziel im Vordergrund, das HSP 2014/2015 ordentlich, ohne Taschenspielertricks oder Luftnummern sofort genehmigungsfähig aufzustellen. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung. Die Basis für diesen Erfolg haben Oberbürgermeister Jörg Dehm und Stadtkämmerer Christoph Gerbersmann mit der Verwaltungsvorlage gelegt. Dafür: Vielen Dank!

Danken möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, die in den vergangenen Wochen eine Vielzahl unserer Fragen beantwortet haben. Ich darf ihnen versi-chern: Mit den Antworten werden wir weiterarbeiten, auch wenn dieses HSP verabschiedet ist. Ihre Arbeit war nicht umsonst!

Danken – und das ist in dieser Form schon neu – möchte ich auch allen Vorsitzenden aller Fraktionen und der Ratsgruppe, die sich in vielen Gesprächen und Terminen erheblich um ein sauberes HSP bemüht haben. Wir haben alle dazu gelernt in den letzten Jahren. Ich würde mir wünschen, das würde die Kommunalaufsicht uns auch einmal im Positiven bescheinigen.

Ein Dank gilt aber auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionsgeschäftsstellen, die uns in den vergangenen Wochen mit viel Vor- und Nachbereitung, Engagement und Übersicht durch diesen Termin- und Abstimmungsmarathon begleitet haben.

Soviel Einigkeit in der Politik klingt ja beinahe verdächtig, aber keine Sorge: Im Verlauf der Sitzung werden Sie sehen, dass wir alle auf unterschiedliche Weise zu diesem Erfolg beigetragen haben und nicht jeder allen Maßnahmen zustimmen wird. Ich will Ihnen vorab kurz skizzieren, welche Schwerpunkte die CDU-Fraktion in den Bereichen Wirtschaftsstandort, Familien, Sport, Kultur und Politik gesetzt hat.

Wirtschaftsstandort

Die CDU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass weder die Verwaltung noch die übrigen Fraktionen weitere Steuererhöhungen vorgeschlagen haben. Das ist gut für den Wirtschafts- und „Wohnstandort“ Hagen! Sowohl die Mieter als auch die Unternehmen in dieser Stadt sind mit der letzten Grund- und Gewerbesteuererhöhung bereits heute bis zur Schmerzgrenze belastet. Zahlreiche Unternehmen in der Stadt haben mir in Gesprächen deutlich gemacht, dass nun eine Grenze erreicht ist, bei deren Überschreiten sie ernsthaft über eine Abwanderung aus Hagen nachdenken müssen; …

… müssen, weil die meisten Unternehmen hier gute Rahmenbedingungen vorfinden,

… müssen, weil sie freiwillig auch nicht gehen wollen,

… müssen, weil sie aber bei weiter steigender Steuerlast irgendwann im regionalen Wettbewerb nicht mehr mithalten können. Das muss uns zu denken geben!

Hier sind die Arbeitsplätze, die unsere Familien ernähren. Hier sind die Sponsoren, die den Vereinen Sportanlagen mitfinanzieren oder Kulturveranstaltungen möglich machen. Das lebens- und liebenswerte Hagen wäre ohne verantwortungsvolle und spendable Unternehmer mit qualitativ hochwertigen und gut bezahlten Arbeitsplätzen längst nicht mehr die Stadt, die sie heute noch ist. Weitere Steuererhöhung können wir deshalb nicht mehr verantworten. Hier ist weniger eindeutig mehr!

Familien

Unsere Familien in der Stadt sind uns viel wert – und das bleiben sie auch!

Wir haben ein flächendeckendes und nachfragegerechtes Betreuungsangebot mit Kita- und OGS-Plätzen und leisten uns darüber hinaus ein beispielhaftes Beratungsnetzwerk für Familien. Aber diese Einrichtungen haben auch ihren Preis – und diese Preise entwickeln sich eben nicht analog zum Zinssatz der Europäischen Zentralbank. Außerdem haben sie als Eltern auch einen Anspruch an die Qualität unserer Einrichtungen. Diesem Anspruch wollen wir bestmöglich gerecht werden. Deshalb hat die Verwaltung im Haushaltssanierungsplan eine maßvolle Erhöhung der Kita-Beiträge ab dem Jahr 2014 vorgeschlagen.

Durch die deutlich ausgeweitete Abschöpfung von Unternehmensgewinnen bei den Unternehmenstöchtern der Stadt Hagen, wie beim Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH), können wir in diesem Jahr auf eine Gebührenanpassung verzichten. Deshalb werden weder CDU noch andere Fraktionen für den Verwaltungsvorschlag stimmen. Denn wir wollen, wo immer wir uns das leisten können, weiter eine familienfreundliche Stadt bleiben! Gleichwohl bitte ich aber auch zu bedenken, dass der gesetzlich vorgegebene Elternanteil an der Kindergartenfinanzierung durch die Kostensteigerungen bei den Angestelltentarifen und für die Bewirtschaftung der Kindertageseinrichtungen und der Offenen Ganztagsschule uns irgendwann dazu zwingen wird, auch diese Einnahmeseite zu bedenken.

Sport

Für einen anderen Weg haben wir uns bei der von der Verwaltung vorgeschlagenen „Sportstättennutzungsgebühr“ entschieden. Nach umfangreichen Rechenoperationen sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Vorschlag der Gemeindeprüfungsanstalt das Vereinsleben in der Stadt möglicherweise nachteilig verändern könnte. Das wollen wir nicht!

Insbesondere Sportangebote für Kinder und Jugendliche dienen ja nicht nur der körperlichen Fitness sondern beinhalten eine wesentliche gesellschaftsbildende und soziale Komponente. Sport macht Körper, Geist und Seele unserer Kinder fit für die Gesellschaft. Deshalb kann es für uns keine städtische Gebühr für solche Sportveranstaltungen geben, in denen Kinder und Jugendliche die Zielgruppe sind.

Deutlich anders sehe ich das im Erwachsenensport: Als ebenso leidenschaftlicher Fan von Phoenix Hagen und Amateur-Basketball-Spieler kenne ich auch viele Sporthallen in der Stadt und nutze sie im Rahmen meiner Vereinsmitgliedschaft. Dabei habe ich in den vergangenen Wochen mit vielen Vereinsmitgliedern gesprochen. Und nicht einer war der Meinung des SSB-Vorsitzenden Dietmar Thieser, Sportler könnten sich prinzipiell nicht an den Energie- und Bewirtschaftungskosten des Sportbetriebs beteiligen. Im Gegenteil! Die Menschen – nicht die Funktionäre – haben längst verstanden, dass die Stadt auch die Sportler mit einer kleinen Kostenbeteiligung heranziehen muss. Herr Thieser verschweigt außerdem, dass die Stadt durch die gleichzeitige Einrichtung des Betriebs gewerblicher Art in dem Maß an Mehrwertsteuer spart, wie die Sportstätten von den Vereinen unter Zahlung der Umlage genutzt werden. Das geht allerdings nur mit einer Umlage oder einer Gebühr.

Herr Thieser verschweigt ganz konkret, dass derselbe Kunstrasenplatz, für den die Stadt heute eine Million Euro aufzubringen hätte, künftig nur noch etwas mehr als 840.000 Euro kosten würde, wenn dieser dann auch komplett von Vereinen belegt würde, die die Energie- und Bewirtschaftungsumlage zahlen. Je weniger Geld für eine Sportstätte gezahlt werden muss, umso mehr lässt sich mit der Sportpauschale finanzieren. Denke ich an den geplanten Bau weiterer Kunstrasenplätze und die noch ausstehenden Hallensanierungen, bin ich froh über jeden Euro, den wir an Mehrwertsteuer auf diesem Weg sparen können.

Eine zugegebener Maßen knappe Mehrheit im Rat hat längst mit einer differenzierten Betrachtung der Fakten begonnen. Denn auf diese Weise bleibt dem Sport – wenn man es richtig macht – netto mehr als vorher. Als Ziel für die neue Energie- und Bewirtschaftungsumlage werden wir lediglich 100.000 Euro ansetzen, damit der Betrieb gewerblicher Art auch entsprechende Einnahmen erzielt. Die Umlage soll auf allen städtischen Sportanlagen erwirtschaftet werden.

Also noch einmal zum Mitdenken: 100.000 Euro wollen wir künftig jährlich mit der Energie- und Bewirtschaftungsumlage von den Vereinen zur Sanierung des Haushalts erheben. Einen vergleichbar hohen Betrag spart der Sport durch Betrieb gewerblicher Art an Mehrwertsteuer ein. Konkret bedeutet das für eine Basketball-Mannschaft mit 10 Personen pro Spielabend etwa 25 Cent je Spieler. Jeder Einzelne würde bei 40 Terminen im Jahr mit ganzen 20 Euro belastet. Die Kinder und Jugendarbeit der Vereine bleibt weiterhin frei! In Anbetracht dieser Zahlen halten wir diese Lösung für gerecht, ausgewogen und so bemessen, dass die Vereinslandschaft darunter nicht leiden wird.

Kultur

Als Vorsitzender des Kultur- und Weiterbildungsausschusses steht mir die Kultur mindestens ebenso nah wie der Breiten- und Spitzensport. Schon deshalb verwahre ich mich gegen jeden Versuch, über billigsten Populismus Sport- und Kulturfreunde dieser Stadt gegeneinander auszuspielen. Das hat schon in der Thieser-Ära nicht funktioniert – es wird auch heute nicht verfangen! Ein geistig und körperlich aktiver Mensch braucht beide Aspekte in seinem Leben. Eines ist allerdings richtig: Nach den Zahlen der Gemeindeprüfungsanstalt NRW wendet die Stadt Hagen doppelt so viel für den Bereich Kultur auf wie der Durchschnitt der Vergleichsstädte und ein Drittel mehr als nächstteure Stadt im Land. Dieser Hinweis aus der Haushaltsrede des Kämmerers Christoph Gerbersmann macht den Handlungsdruck deutlich. Die Hagener Kulturlandschaft muss nach dem Vorschlag der Verwaltung ab 2018 daher mit einem um 2,25 Millionen Euro verringerten städtischen Zuschuss seine Programme gestalten.

Verkürzt wird die Diskussion zu Unrecht immer auf das Hagener Theater. Das muss sicherlich den Löwenanteil des Betrages einsparen. Doch wir müssen insgesamt darüber nachdenken, wie sich die Hagener Kulturlandschaft in den nächsten Jahren entwickeln soll. Dazu beginnt, von unserem Kulturdezernenten Thomas Huyeng angestoßen, in diesen Tagen der öffentliche Diskussionsprozess um den Hagener Kulturentwicklungsplan. In ihm werden die Leitlinien der künftigen Hagener Kulturförderung erarbeitet. Jeder, der sich dafür interessiert, sollte sich an diesem Prozess beteiligen!

Die CDU-Fraktion trägt diesen Sparvorschlag schweren Herzens mit, weil die Hinweise der Kommunalaufsicht in diese Richtung eindeutig sind und das Land uns hier weitgehend im Stich lässt. Wir wissen spätestens seit dem Theater- und Orchesterpakt des Landes NRW, dass die 2010 in Aussicht gestellten Millionen der Landesregierung niemals kommen werden. Stattdessen bekommen wir Landesmittel in homöopathischen Dosen verabreicht – Hagen erhält daraus 300.000 Euro jährlich.

Nach dem Willen der Damen Kraft und Löhrmann soll das Geld nur dem Theater zu Gute kommen und nicht den kommunalen Zuschuss entlasten. Das ist mit Verlaub – grotesk! Gerade unsere Landesregierung präsentiert sich immer gerne als oberster Kulturförderer. Tatsächlich handelt es bei ihr um einen kulturpolitischen Scheinriesen. So lag der Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt des Landes bei gerade einmal lächerlichen 0,33 Prozent! NRW landet in den verschiedenen Vergleichen deshalb bundesweit auf dem letzten oder vorletzten Platz. Nein, das Land ist weit davon entfernt, Städte wie Hagen, die ein Umland mit Kulturange-boten mitversorgt anständig finanziell auszustatten. Würde das Land – wie andere Länder es tun – 20 Prozent unseres Theaterbetriebs finanzieren, müssten wir in Hagen keine solchen Entscheidungen treffen. Ein kleines bisschen Hoffnung im Bund macht, dass die Große Koalition möglicherweise die Kultur als Staatsziel in die Verfassung aufnehmen will und dadurch Bundesmittel ungehindert in die Kultur fließen können. Bisher hatten hier die Länder die Hoheit. Aber auch darauf können wir am heutigen Tag nicht konkret bauen. Wir müssen dieser Zuschusskürzung zustimmen!

Politik

In der Vergangenheit habe ich immer darauf hingewiesen, dass auch die Politik einen Beitrag zum Sparen leisten muss. Und dieser Meinung bleibe ich weiterhin! Wir haben in den vergangenen Runden zum HSK 2011, zum HSP 2012/2013 deshalb auch immer wieder um Zustimmung für die entsprechenden Vorlagen oder eigenen Anträge geworben. Unser Vorschlag sah vor, den Rat auf das gesetzliche Minimum von 52 Mitgliedern plus Oberbürgermeister zu verkleinern, die Bezirksvertretungen gestaffelt nach ihren Größen zu verkleinern, die Geschäftsführungen der Bezirksvertretungen zusammen zu führen und bei den Gehältern der Fraktionsgeschäftsführer planbare Einschnitte vorzunehmen. Der Rat hat diese gerechte und gleichmäßige Verteilung der Einsparung – bei ständig wachsender Unterstützung am Ende mit nur 2 Stimmen Mehrheit – abgelehnt. An diesem Vorschlag halten wir weiter fest, wenngleich er sich nun erst zur Kommunalwahl 2020 umsetzen lässt. Denn inzwischen ist die Frist für eine Ratsverkleinerung verstrichen, die Chance blieb ungenutzt. Nun könnten natürlich die beiden großen gegen die kleinen stimmen – und die Sache wäre „geritzt“. Fair wäre das allerdings nicht! Deshalb werden wir beide vorliegenden Vorschläge ablehnen.

Rahmenbedingungen für Kommunen verbessern

Will Hagen sich aus der Finanzmisere befreien, braucht die Stadt insgesamt bessere Rahmenbedingungen! Wir haben sicherlich einen Großteil unserer Probleme selbst verursacht. Jeder hier im Saal und in der Stadt hat sich einen Teil des Kuchens abgeschnitten, noch bevor dieser finanziert war. Denn draußen an der Theke unserer Bäckerei stehen mit Frau Bund und Frau Land zwei freundliche Verkäuferinnen, die den Kunden immer neue Köstlichkeiten versprechen, ohne in der Backstube zu fragen, ob die mit den Zutaten auch zu machen ist. Die Bundesregierung hat das bereits verstanden und durch die Verbesserung bei der Grundsicherung seit 2011 inzwischen 8-10 Millionen Euro mehr nach Hagen überwiesen. Die Eingliederungshilfe über das Bundesleistungsgesetzt wird für eine weitere spürbare Entlastung in ähnlicher Höhe sorgen.

Ganz anders die Landesregierung: Sie hat bei der Inklusion jüngst wieder vorexerziert, wie man es nicht macht. Sie verabschiedet ein Gesetz, das in der Sache richtig und wünschenswert ist. Die Kostenübernahme hat das Land jedoch erst einmal verschoben, obwohl die Landesverfassung eindeutig eine gleichzeitige Kostenentscheidung vorschreibt. Und wer stimmte diesem Verfassungsverstoß zu? Die beiden Hagener SPD-Parteisoldaten Jörg und Kramer. So lässt sich eine Stadt nicht sanieren!

Das Land finanziert seine Kommunen ohnehin nicht hinreichend. Das Gutachten der Professoren Junkernheinrich und Lenk hat das im Auftrag der Landesregierung deutlich und präzise herausgearbeitet. Mit dem Stärkungspakt ist die Landesregierung nur die Hälfte des wissenschaftlich empfohlenen Weges gegangen. Die fehlende Hälfte verschleiert sie mit phantasievollen „Orientierungsdaten“. Auch die geplante Plünderung der finanzkräftigen Kommunen wird das Problem nicht lösen.

Die Not leidenden Kommunen brauchen jetzt dringend einen verlässlichen Korridor, um den Haushaltsausgleich zu erreichen und mit dem Abtragen der Altschulden beginnen zu können. Wir brauchen einen 100-Prozent-Stärkungspakt und nicht die Light-Variante mit 50 Prozent. Hier ist weniger eben nicht mehr!

Erst dann, wenn das Land seine Kommunen endlich so ausstattet, wie das in Bayern oder Baden-Württemberg der Fall ist, erst dann wird die fortgesetzte Verabschiedung von Haushaltssanierungsplänen einmal der Vergangenheit angehören. So lange müssen wir im Rat immer wieder harte Entscheidungen treffen und Sie mit solchen Reden plagen. Sie werden aber auch in den anderen Reden deutlich spüren, dass sich diese Aufgaben heute keiner leicht gemacht hat.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Wolfgang Röspel

Fraktionsvorsitzender